ADHS-Symptome: 1. Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme

Junge sitzt am Schreibtisch sichtlich erschöpft. Er stützt seinen Kopf mit seiner linken Hand ab.

Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen, die Aufmerksamkeitsprobleme haben, fällt es sehr schwer, begonnene Tätigkeiten zu Ende zu bringen. Sie können sich nur für kurze Zeit auf eine Sache konzentrieren und lassen sich leicht von einer begonnenen Tätigkeit ablenken. Durch fehlgeleitete Aufmerksamkeit bekommen z.B. Schüler*innen Informationen, Lernstoff oder Aufgabenstellungen nicht so richtig mit, so dass sie dem Unterricht nicht folgen können, was sich wiederum in den schulischen Leistungen negativ widerspiegelt.

Ebenso zeigen sie wenig Ausdauer bei Spielen und Aufgaben und wechseln häufig ihre Aktivitäten. Meist sind diese Auffälligkeiten stärker bei Tätigkeiten zu beobachten, die von anderen Personen vorgegeben werden (z.B. Hausaufgaben). Bei manchen Kindern treten diese Probleme auch bei Beschäftigungen auf, die von ihnen selbst gewählt wurden. Sie unterbrechen zum Beispiel spontan und unerwartet ein selbst gewähltes Spiel schnell wieder und fangen ein neues an. Dieses Kind sprüht wahrscheinlich vor Ideen und das ist sein Problem. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das für die Person die „mitspielt“ sehr anstrengend sein kann, weil sie den Grund für die Sprunghaftigkeit nicht immer erkennen kann.

Andererseits können sie sich sogar besser als alle anderen Menschen konzentrieren, wenn sie an einem Thema brennend interessiert sind. Diese Tatsache ist oft für Mitmenschen und Lehrkräfte sehr irritierend. ADHSler können sich hervorragend auf das konzentrieren, was sie spannend finden und so gar nicht auf das, was sie langweilt.

Lehrer fragen sich immer wieder, wieso es den Kindern nicht möglich ist, konstante Leistungen zu erbringen.
Fragt doch einfach uns.

A. Bartels

Der Begriff neurodivers (neuro=Nerv; divers=verschieden, andersartig) beschreibt im Grunde nichts anderes, als dass jeder Mensch bzw. jedes Gehirn anders ist.
Der Begriff neurodivergent soll helfen, diese kognitiven Unterschiede nicht als Störungen zu betrachten. Neurodivergente Menschen haben eine andere Art des Erlebens, Denkens und Handelns.
Neurotypisch (für neurologisch typisch) ist ein Neologismus (ein Neuwort), welcher dann verwendet wird, wenn man sich auf jene Menschen bezieht, deren neurologische Entwicklung und Status mit dem übereinstimmen, was die meisten Menschen als normal bezüglich der sprachlichen Fähigkeiten und Sozialkompetenzen betrachten.

Aufmerksamkeitsdefizit ist nicht gleich Konzentration-Störung

Wichtig zu wissen ist, dass sich die Aufmerksamkeits- von einer Konzentrationsstörung unterscheidet, da es sich dabei um verschiedene Abschnitte der Informationsverarbeitung handelt. Als Verdeutlichung stelle dir einen Fotoapparat vor, die Aufmerksamkeit gleicht hier der Blende, die zu weit oder zu eng eingestellt werden kann. Bei einer Konzentrations-Störung handelt es sich um einen Fehler im Prozessor des Fotoapparates, der die eingefangenen Informationen nicht adäquat verarbeiten kann.

Aufmerksamkeit bedeutet, AUFmachen zum MERKen. Sie ist die Fähigkeit, die vielen Reize aus unserer Umwelt zu filtern und sich dem Reiz, der gerade wichtig ist, länger zu widmen. Aufmerksamkeit können wir nicht lernen, jedoch die Fähigkeit, Aufmerksamkeit zu lenken. Dabei spielt die Art des Reizes sowie dessen Qualität und Quantität eine große Rolle. Konzentration lässt uns die Aufmerksamkeit längere Zeit auf einen bestimmten Punkt lenken, d.h. wir fokussieren uns willentlich auf ein bestimmtes Thema oder kurzfristig erreichbares Ziel. Sie ist die Grundlage jeglichen Lernens.

Betroffene berichten öfter, dass sie ihre Umgebung zu genau und detailliert wahrnehmen, aber nicht Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können. Es handelt sich dabei um eine Hypersensivität der Aufmerksamkeit und diese führt häufig zu einer massiven Überforderung. Geräusche sind zu laut, Farben zu grell, Licht zu hell, Gerüche zu stark oder Berührungen zu intensiv. Betroffene haben durch die Überladung von Eindrücken eine Tendenz zur Flucht in ruhigere Bereiche oder rasten aus. Diese Symptomatik ist oft mit autistischen Zügen vergesellschaftet.

Hyperfokus und Denken im Galopp

An dieser Stelle möchte ich noch die sogenannte Hyperfokussierung erwähnen, bei der Betroffene sehr wohl ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache beschränken können, wenn es nur interessant genug ist. Dabei wird das Ziel so (übertrieben) stark fixiert, dass es nicht mehr aus den Augen gelassen wird und die Umgebung kann dann komplett ausgeblendet werden. Während so einer Phase vergessen Betroffene zu essen, zu trinken und die so notwendigen Pausen. Das Phänomen des Hyperfokus wird im Umfeld als irritierend wahrgenommen, zumal wenn die sonstigen (schulischen) Leistungen eher schlecht sind. „Du kannst ja, wenn du willst“ oder „Du bist einfach zu faul“ sind dann die Reaktionen im Elternhaus und in der Schule. Wir kennen diese Sprüche alle.

Ich habe festgestellt – und andere Betroffene berichten dies ebenfalls -, dass die Aufmerksamkeit auch deshalb abschweift, weil der/die Gesprächspartner*in oft einfach zu langsam denkt. Für uns ist schon klar, was er/sie sagen will und das macht uns sofort ungeduldig. Das ADHS-Gehirn scheint schneller getaktet zu sein.

Arbeitsgedächtnis lässt zu Wünschen übrig

Ich möchte noch ein Symptom erwähnen, das im sozialen Miteinander leicht zu Schwierigkeiten führen kann. Da auch das Arbeitsgedächtnis einer Einschränkung unterworfen ist, versuchen Betroffene nicht selten, ihre Mitteilung schnell und zur Not sogar gegen Widerstand im Gespräch loszuwerden. Soll heißen, man unterbricht oft andere in ihrem Redefluss aus Angst den Gedanken oder das Argument wieder zu vergessen. Etwas peinlich ist auch, wenn man einfach weiterredet, obwohl andere Inhalte bereits Thema sind. Gleichzeitig ist dieses Phänomen auch ein Zeichen von innerer Unruhe bzw. Hyperaktivität.

Das Arbeitsgedächtnis ist ein Teil des Gedächtnisses. Es speichert aufgenommene Informationen kurzfristig, um diese Informationen in das Langzeitgedächtnis aufzunehmen, oder damit zu vergleichen. Die Kapazität ist jedoch mit etwa sieben Informationseinheiten begrenzt, hat also nicht unendlich viel Speicher (Arbeitsspeicher).
Der Begriff Kurzzeitgedächtnis bezieht sich auf ältere und andere Theorien, die von einem einheitlichen System zur kurzzeitigen Speicherung von Informationen ausgegangen sind. Im Gegensatz dazu wird von einem Mehrspeichermodell ausgegangen, in dem verschiedene Subsysteme für verschiedene Arten von Informationen zuständig sind. Neuropsychologen unterscheiden zwischen diesen beiden Gedächtnisarten auch, da sie unterschiedliche Bereiche des präfrontalen Cortex beanspruchen. Das Arbeitsgedächtnis ermöglicht es, die gespeicherten Informationen gleichzeitig zu manipulieren und mit ihnen zu arbeiten. Das Kurzzeitgedächtnis hingegen ist nur ein kurzfristiger Speicher, der aber keine Organisation und Verarbeitung des gespeicherten Inhalts erlaubt.
Quelle: Wikipedia


Ergänzende Infos

Schematische Darstellung der Reizaufnahme bis zur Verarbeitung im Gehirn.
Text folgt nach der Bilddarstellung
Schmatische Darstellung der Verarbeitung von Reizen bei neurotypischen Menschen.

Casting bedeutet eine Auswahl zu treffen (engl. to cast = angeln, fischen). Reize werden über die Sinnesorgane aufgenommen und im sensorischen Gedächtnis unseres Gehirns nur sehr kurz abgespeichert. Schon während dieses Vorgangs werden im Gehirn die Reize sortiert und gefiltert (nach Bedeutung, ob sie lebenswichtig sind, nach Relevanz für den Einzelnen).
Nur die Reize, die diese Selektion schaffen, also wichtig erscheinen, werden im Arbeitsgedächtnis gespeichert. Auch hier ist die Verweildauer mit ca. fünf Sekunden eher kurz. Was hier noch als wichtig eingestuft wird, hat das Casting gewonnen und gelangt zu bereits vorhandenem Wissen oder in ein „Zwischenlager“, für den Fall, dass ähnlich interessante Infos dazukommen.

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