ADHS: Eine andere Art des Denkens, Erlebens und Handelns

Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung

Es kommt häufig vor, dass Eltern mit einer Diagnose für ihre Kinder aus dem neurodivergenten Spektrum nicht umgehen können und diese erst einmal anzweifeln. Wenn ich damals schon gewusst hätte, was ich heute weiß, wäre sicher einiges besser oder zumindest anders gelaufen. Ok, hätte, hätte Fahrradkette. Unterm Strich wollen Eltern (meistens) das Beste für ihre Kinder und handeln daher nach bestem Wissen und Gewissen. Heute ist das Thema Neurodiverstität bzw. in diesem Fall ADHS viel präsenter, die Studienlage hat sich verbessert und die Ärzte- und Lehrerschaft sieht auch mal öfter hin. ADHS-Medis werden nicht mehr ganz so verteufelt wie damals und wenn jetzt noch die Hürden für eine Therapie mangels Therapeuten niedriger wären, könnte man von einem echten Fortschritt in der Diagnostik und Behandlung sprechen.

Räumen wir mal auf

ADHS ist keine Modeerkrankung.

Sie tritt auf der Welt fast überall gleich häufig auf. Der Eindruck, dass es heute mehr Menschen mit dieser Diagnose gibt, lässt sich damit erklären, dass die ADHS in heutiger Zeit öfter diagnostiziert wird, weil Ärzte die Symptomatik besser kennen und die Medien häufiger darüber berichten. Ich beobachte z.B., dass in den sozialen Netzwerken sich immer mehr erwachsene Betroffene wie auch Eltern betroffener Kinder offen zu den Themen ADHS (und weiteren Störungen aus dem neurodivergenten Spektrum) äußern und den Austausch suchen.

Weltkarte, internationale Verbreitung von ADHS 2007/2012; Anteil an der Bevölkerung:
USA 5,2%, Mexiko 1,9%, Brasilien 5,8%, Australien 1,1%, Niederlande 5,0%, Belgien 4,1%, Frankreich 7,3%, Spanien 1,2%, Italien 2,8%, Deutschland 4,7%, Libanon 1,8%
Internationale Verbreitung von ADHS, anteilig an der Bevölkerung

ADHS ist keine seltene Erkrankung.

Je nach Studie haben 3-7% der Erwachsenen eine ADHS, wobei der Großteil der Betroffenen hierüber keine Kenntnis hat. Im Kindesalter tritt ADHS ebenfalls bei 3-7% der Kinder auf und ist damit die häufigste seelische Erkrankung bei Kindern.

ADHS wächst sich nicht aus.

Unerkannt kann sich die ADHS wie ein roter Faden durch das ganze Leben ziehen und eine große Anzahl von Niederlagen und Misserfolgen sowie diverse Begleitkrankheiten (z.B. Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen) zur Folge haben. Deshalb ist es wichtig, ADHS früh zu erkennen, am besten schon in der Kindheit.

Die Bezeichnung ADHS wird oft fehlinterpretiert.

ADHS wird weitläufig als eine Verhaltensstörung von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen bezeichnet, die durch Auffälligkeiten in den drei Kernbereichen Wahrnehmung, Sozialisation, Motorik gekennzeichnet ist. Medizinisch betrachtet, gehört ADHS also zum Bereich der Verhaltens- und emotionalen Störungen. Ich persönlich mag mich nicht als verhaltensgestört ansehen. Wir ticken anders als neurotypische Mitmenschen. Erst im Kontext mit der Erwartungshaltung der Gesellschaft und ihre Reaktion auf neurodivergente Menschen kann sich eine Störung entwickeln. In den folgenden Beiträgen werde ich mich genauer mit der Sympotomatik der ADHS beschäftigen.

Es handelt sich genau genommen nicht um ein Aufmerksamkeits-Defizit, sondern um eine Störung der Aufmerksamkeits-Lenkung. ADHSler*innen können sehr wohl aufmerksam sein, aber ihr Gehirn hat eine andere Vorstellung davon, was diese Aufmerksamkeit verdient. Übrigens, auch Betroffene ohne sichtbare Hyperaktivität, die sog. Träumer-Typen, berichten über eine innere Unruhe und Getriebenheit, die sich allerdings nach außen kaum zeigt. Das heißt, es liegt oftmals ein „H“ im Verborgenen mit vor, variieren kann sein Anteil. Das „H“ könnte auch für Hypoaktivität stehen (s.u.). Betroffene ohne Hyperaktivität fühlen sich trotzdem nicht immer berücksichtigt und bestehen auf der Bezeichnung ADS.

Haupt-Symptome der ADHS

Wir haben eine andere Art des Denkens, Erlebens und Handelns. Das ist keine Störung, kann aber zu dieser werden, wenn Potential und Besonderheit nicht erkannt und gewürdigt werden. Und, wenn Betroffene den Eindruck gewinnen, sie seien irgendwie falsch in dieser Welt.

A.Bartels

ADHS, mehr als unkonzentriert zappeln – Ein Überblick

ADHS, mehr als unkonzentriert zappeln - Ein Überblick
Der Inhalt der Grafik wird nachfolgend als Text dargestellt.

Um Barrierefreiheit zu gewährleisten, habe ich nachfolgend die in der Grafik aufgezeigten Symptome der ADHS ergänzend als Text festgehalten:

  • Unfähigkeit sich zu konzentrieren auch ohne Störquellen
  • Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit zu lenken
  • Unkontrolliertes Zappeln, im Erwachsenenalter eher innere Unruhe, Ticks
  • Schlechte Impulskontrolle
  • Probleme bei der Regulierung von Emotionen
  • Stimmungsschwankungen
  • Depressionen
  • Hyperfokus
  • Schlechtes Zeitgefühl
  • Schwierigkeiten, Gespräche aufrecht zu erhalten
  • sensorische Verarbeitungsstörung (Störung der Sinnesverarbeitung)
  • Schwierigkeiten, Beziehungen aufrecht zu erhalten
  • Schlafprobleme, gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Schlechtes Arbeitsgedächtnis
  • Vergesslichkeit
  • Großes Suchtpotential
  • Vergessen zu essen, zu schlafen, sich zu pflegen (z.B. bei Hyperfokus)
  • finanzielle Probleme
  • chronische Arbeitslosigkeit
  • Schulversagen
  • Angsstörungen
  • Sensorische Verarbeitungsstörung (Störung der Sinnesverarbeitung)
  • Lähmende Gefühle bei zu viel Auswahl
  • Schwierigkeiten bei unerwartetem Wechsel von Aufgaben
  • Schwierigkeiten „dran zu bleiben“
  • Prokrastination (Aufschieberitis)
  • Dysphorie (Affektstörung; Betroffene sind unzufrieden, missmutik, launisch, mürrisch oder verärgert und strahlen diese Stimmung nach außen ab
  • usw.

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